Wie sehen Sie die Dynamik von Politik und Wirtschaft?

Radio-Interview mit Jürgen Wiebicke, WDR 5: Das philosophische Radio, 27. September 2021.

Der Neoliberalismus ist eine dominierende Kraft. Sein Erfolg geht allerdings einher mit massiven Krisensymptomen. Und mit einem Machtverfall der Politik. Ein Problem für die Demokratien in Europa. Gibt es Alternativen?

Der Neoliberalismus ist eine Idee aus den 1930er Jahren. In den 1970ern und 1980ern war er ein Versuch, die Stagnation des Kapitalismus zu bekämpfen – “Durch die Verwandlung der Welt in eine einzige große Freihandelszone“, sagt der Politologe Wolfgang Streeck.

Eine Folge des Neoliberalismus war die Globalisierung, wie wir sie heute kennen. Die Nationalstaaten sollten am besten abgeschafft werden, mindestens aber möglichst funktionslos sein, eher eine Art regionale Folklore. Die Wirtschaft solle von ihnen nicht mehr beeinflusst werden, über die ökonomische Lage der Bevölkerung müsse der Markt entscheiden. Es hat sich, sagt Wolfgang Streeck gezeigt, dass ein solcherart verfasstes Wirtschaftssystem immens krisenanfällig ist. “Auf die Dauer bekommen die Leute Angst vor einem solchen Moloch.“ (…)

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Letter from Europe: Will it Be Enough?

Sidecar, September 3, 2021.

It’s summer, Brussels pretends to be on vacation, but nobody believes it: clouds are gathering, no silver lining in sight, nerves wrecked all around. Forests are burning, rain is falling, rivers are flooding – the climate crisis has hit home, more undeniably than ever. Of the €750 billion Corona ‘recovery fund’, not a single euro has yet been spent and the fourth wave is beginning to unfurl. Time for a fiscal booster shot – but how to pay for it? The French war in Africa drags on, the failed states of Libya, Syria, Iraq and Lebanon continue to fail, German demands for a European asylum regime that protects Germany from having to live up to its moral rhetoric are as divisive as ever, regime change in Russia must wait since Putin won’t resign. And now Afghanistan: Good Uncle Joe has become Bad Uncle Joe, toute l’Europe being shocked: unilateralism! (…)

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Versión española:
Créanme ustedes, que será suficiente

El Salto, 5 de septiembre de 2021.

Cuando la deuda crece más rápido que el capitalismo, el gobierno de las economías políticas capitalistas se convierte en un juego de confianza similar a un esquema Ponzi.

Es verano, Bruselas pretende estar de vacaciones, pero nadie lo cree: las nubes se adensan, no se vislumbra solución mágica alguna al alcance de la mano, todo el mundo tiene los nervios de punta. Los bosques arden, llueve, los ríos traen inundaciones: la «crisis climática» está golpeando en casa de un modo cada vez más innegable. De los 750 millardos de euros del Coronavirus «Recovery» Fund no se ha gastado todavía ni un solo euro, cuando la «cuarta ola» comienza a coger fuerza. Tiempo para un agresivo paquete suplementario de estímulo fiscal, pero, ¿cómo pagarlo? (…)

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Deutsche Version:
„Glaubt mir, es wird reichen“

Makroskop, 31. August 2021

Werden Laschet, Scholz oder Baerbock, wer immer Kanzler wird, die Magie am Leben erhalten können, wenn Deutschlands europäische Peripherie einen weiteren Zahlungsaufschub, weitere billige Kredite braucht?

Es ist Sommer, Brüssel gibt vor, Urlaub zu machen, aber niemand glaubt es: Wolken ziehen auf, kein Silberstreifen in Sicht, die Nerven zum Zerreißen gespannt. Wälder brennen, es regnet, Flüsse über die Ufer – die „Klimakrise“ ist angekommen, unbestreitbarer denn je. Von den 750 Milliarden im Corona-Recovery-Fond ist noch kein einziger Euro ausgegeben, während die „vierte Welle“ schon unterwegs ist. Zeit für einen fiskalischen booster shot – aber wie ihn bezahlen? (…)

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Alternative für Europa: Genossenschaft statt Imperium

In: Makroskop: Magazin für Wirtschaftspolitik, Doppelnummer 2021: Wahlprogramm sucht Partei, S. 83-89.

Gibt es für »Europa« Alternativen zu dem, was absehbar passieren wird, wenn nichts passiert? Ein Gelegenheitsfenster für eine Lösung der »europäischen Frage« gäbe es.

Das Kräftemessen zwischen neoliberaler Groß- und Einheitsstaaterei und nationalstaatlich-demokratisch-»populistischer« Kleinstaaterei – zwischen gesamteuropäischem Universalismus und nationaleuropäischem Partikularismus – ist steckengeblieben, auf vielfältige Weise eingeflochten in die gegenwärtige, ständig neue Transformationskrise des globalen Kapitalismus. Der antizipatorische Umbau der Europäischen Union in eine »marktkonforme Demokratie« (Angela Merkel), gedacht als regionale Vorwegnahme einer weltweiten Ausschaltung marktunkonformer protektionistischer Politik, hat sich als voreilig erwiesen.

„Es gibt keinen Europäischen Demos“

Interview mit Mladen Gladić, Die Welt, Samstag 31. Juli 2021, Seite 25.

Wolfgang Streek war bis 2014 Direktor am Kölner Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung. „Zwischen Globalismus und Demokratie“ (Suhrkamp) ist ein Plädoyer für weniger Zentralismus. Ein Gespräch darüber, was stecken geblieben ist und wie es in den Fluß kommen könnte.

DIE LITERARISCHE WELT: Herr Professor Streeck, gerade hatten wir gelernt, dass heute fast alles „neoliberal“ ist: Selbstverwirklichung, Fitness sowieso, vor allem aber Identitätspolitik. Jetzt sagen Sie, das ist schon vorbei.

WOLFGANG STREECK: Der Neoliberalismus, von dem ich spreche, ist eine Bewegung, die in den 30er Jahren entstand, mit Leuten wie Friedrich August Hayek und Ludwig von Mises. Denen ging es darum, die liberale Weltwirtschaft, von der sie sich vorstellten, dass sie 1914 bestanden hätte, wiederherzustellen. Dem standen die nach 1918 aus den Imperien herausgebrochen Nationalstaaten im Weg. Der Neoliberalismus war gleichzeitig ein Anti-Sozialdemokratismus und ein Anti-Nationalismus. Seine Vertreter fürchteten, dass die Sozialdemokratie sich der Nationalstaaten bemächtigt und so den freien Weltmarkt durch protektionistische Eingriffe und Sozialpolitik unterminiert. (…)

Letter from Europe: Values for Money

Sidecar, July 27, 2021.

On 24 June Angela Merkel attended what was advertised as her last European Council meeting; prematurely, perhaps, given that the formation of the next German government is likely to take some time. The European Council is that most secretive jamboree of all 27 heads of state and government; the EU’s executive and legislative in one. A hotspot of ‘multi-level diplomacy’, to use the language of American political science, its proceedings are hidden behind a flurry of PR messages carefully crafted for diversified national consumption. On this occasion, there was general agreement that the meeting was a mess; a mess attributed by some to the Council’s long-time dompteuse having turned lame duck. (…)

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Versión española:
Los valores distorsionados de una unión cada vez más estrecha

El Salto, 27 de julio de 2021.

Aparte de la reunión de la Unión Europea-Putin, la sesión de junio del Consejo Europeo ha estado dominada por un debate emocional sobre la legislación de Orbán.

El 24 de junio Angela Merkel asistió a la que fue publicitada como su última participación en una reunión del Consejo Europeo; prematuramente quizá dado que la formación del próximo gobierno alemán es probable que tome algún tiempo. El Consejo Europeo es la conferencia absolutamente secretista de los veintisiete jefes de Estado o de gobierno europeos; el poder ejecutivo y legislativo de la Unión Europea en una sola pieza. (…)

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Deutsche Version:
Nichts geht mehr wirklich

Makroskop, 29. Juli 2021.

Merkels letzte Tagung mit dem Europäischen Rat war ein Desaster. Deutlich wurde die östliche Bruchlinie des „europäischen Projekts“.

Am 24. Juni nahm Angela Merkel an ihrer letzten Tagung des Europäischen Rates teil; oder vielleicht doch nicht, da die Bildung der nächsten deutschen Regierung einige Zeit in Anspruch nehmen könnte. Der Europäische Rat ist das streng geheime Hinterzimmer der 27 Staats- und Regierungschefs; Exekutive und Legislative der EU in einem, ein Hotspot der „Mehrebenendiplomatie“, in der euphemistischen Sprache der amerikanischen Politikwissenschaft. (…)

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Strategische Entgrenzung

Makroskop, 10. Juli 2021.

Die Welt« im 20. Jahrhundert sei komplex und infolgedessen unregierbar geworden, heißt es. In Wahrheit ist ihre unregierbare Komplexität ein Ergebnis strategischer Entgrenzung mit dem politischen Ziel, dem egalitären und egalisierenden demokratischen Regieren ein Ende zu setzen.

Gegenstand jeder politischen Ökonomie in der Nachfolge Karl Polanyis, theoretisch wie praktisch, ist die gesellschaftliche Einbettung der unter dem Liberalismus losgelassenen kapitalistischen Ökonomie – die Sozialisierung der Ökonomie zur Verhinderung der Verwirtschaftung der Gesellschaft. Einbettung heißt Rückgewinnung gesellschaftlicher Kontrolle über den Selbstlauf selbstregulierender Märkte. (…)

Dieser Text ist eine gekürzte Fassung des Vorworts aus Wolfgang Streecks neuem Buch „Zwischen Globalismus und Demokratie“, das am 18. Juli im Suhrkamp Verlag erscheint.

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Metamorphosen des Nationalstaats

Soziopolis, 1. Juli 2021.

Vorabdruck aus „Zwischen Globalismus und Demokratie. Politische Ökonomie im ausgehenden Neoliberalismus“

Das postneoliberale Patt besteht in einer Blockade der Politik zwischen nationalen und globalen Ordnungen als Resultat eines bislang unentschiedenen Ringens um die Zukunft des Nationalstaats in einer seit den 1980er Jahren zunehmend verflochtenen Wirtschaftswelt. Dabei gilt es im Diskurs des sich als nicht und antinational verstehenden Kosmopolitismus insbesondere in Deutschland als ausgemacht, dass „der Nationalstaat“ sich nicht nur funktional überlebt hat – alle „wichtigen Probleme“ seien „nur noch international“ zu lösen, wobei offenbleibt, wie genau und insbesondere durch wen –, sondern auch moralisch in Anbetracht „seiner“ blutigen Geschichte von Diktaturen nach innen und Kriegen nach außen. Ich möchte im Folgenden kurz zusammenfassen, warum dieses Geschichtsbild nicht nur vereinfacht, sondern irreführend verkürzt ist. (…)

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