Augen zu und rein: Deutschland im Krieg

In: Sandra Kostner/Stefan Luft (Hg.), Ukrainekrieg. Warum Europa eine neue Entspannungspolitik braucht. Frankfurt am Main: Westend Verlag 2023, 289-308.

Mitte Oktober 2022 sah sich Bundeskanzler Olaf Scholz erstmals gezwungen, auf sein verfassungsrechtliches Privileg nach Artikel 65 des Grundgesetzes (GG) zur Bestimmung der Richtlinien der Politik seiner Regierung zurückzugreifen. Es ging um die Verlängerung der Laufzeiten der letzten drei Atomkraftwerke. Laut Gesetz sollten diese Ende 2022 vom Netz gehen — Ergebnis von Merkels Atomwende nach Fukushima, mit der sie die Grünen für eine Koalition unter ihrer Führung gewinnen wollte. Aus Angst vor Atomunfällen, Atommüll und ihren Wählern hatten die Grünen, jetzt in der Ampel-Regierung, sich geweigert, ihre Tröphae aufzugeben. Die FDP hingegen verlangte, dass alle drei Anlagen, die rund sechs Prozent der deutschen Stromversorgung bereitstellen, so lange wie nötig, also auf unbestimmte Zeit, in Betrieb bleiben sollen. Um den Streit zu beenden, erließ Scholz eine Anordnung an die beteiligten Ministerien, in der er förmlich bestimmte, dass die drei Kraftwerke 2023 für dreieinhalb Monate weiterbetrieben werden; danach werden sie unwiderruflich stillgelegt. […]

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