Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 14. Oktober 2018, Seite 44.
Didier Eribon lag mit seiner Kritik an Sahra Wagenknecht in diesem Feuilleton falsch: Offene Grenzen sind noch keine Politik. Die Linken brauchen vielmehr einen neuen Internationalismus.
„Sahra Wagenknecht ist mitverantwortlich für das, was in Chemnitz geschehen ist, weil sie die sogenannte Migrantenproblematik zum Bestandteil der linken Agenda gemacht hat (. . .) Wagenknechts Aussage, sie sei gegen das Konzept offener Grenzen, (. . .) suggeriert, dass man mit ihr auch über Grenzzäune, Hunde und Internierungslager reden kann.“ Das ist eine Menge Holz, vor allem von jemand, der sich „in gewisser Weise“ für das „verantwortlich“ erklärt, was Wagenknecht so alles unternimmt. Ich habe, wie andere auch, Eribons „Rückkehr nach Reims“ – als Soziologe war er und ist er mir bis heute nicht aufgefallen – durchaus mit Bewegung gelesen. Hätte ich das Buch zu rezensieren gehabt, hätte ich den Dauertriumphalismus des Autors über seinen eigenen Bildungsaufstieg etwas nervig gefunden; Bildungsaufsteiger gibt es in unserer Generation ja nicht gerade selten. Wichtiger, mir wäre die geradezu ontologische Beschreibung der Arbeiterklasse, jeder Arbeiterklasse und nicht nur der Familie Eribon, als „rassistisch“ merkwürdig und bemerkenswert erschienen. (…)